Die ERIF Sinterklaas Marken- und Produktstudie wurde 2015 ins Leben gerufen, um zu untersuchen, wie verschiedene (niederländische) Geschäfte und Marken die Figur des Zwarte Piet darstellen und vermarkten. Sinterklaas ist eines der populärsten Feste in den Niederlanden und dauert, was die aktive Werbung und den Konsum betrifft, jedes Jahr etwa sechs Wochen. Das Fest soll den heiligen Nikolaus feiern und ehren, hat sich aber von seinen religiösen Wurzeln weitestgehend entfernt und stattdessen auf das Schenken und gemeinschaftliches Schlemmen ausgerichtet. Das Fest, das sich in erster Linie an Kinder richtet, findet in allen privaten und öffentlichen (kommerziellen) Sektoren und Lebensbereichen statt, so dass es nahezu unmöglich ist, es ganz zu vermeiden oder zu ignorieren. Wir begannen mit dieser Untersuchung auf Anregung von Eltern und Lehrkräften, die auf unserer ersten Konferenz ihre Besorgnis über die langfristigen Auswirkungen der Figur des Zwarte Piet äußerten, (eine Karikatur eines versklavten schwarzen Mannes). Dabei ging es nicht nur um die Wirkung auf Schwarze Kinder, sondern auf alle Kinder langfristig haben würde, insbesondere im Hinblick darauf, wie sie rassistische Strukturen und Dynamiken wahrnehmen und erlernen. Im Rahmen der Studie wurde die Entwicklung der Sinterklaas-Waren und des Marketings anhand einer quantitativen Online-Datenerhebung, die durch qualitative Beobachtungen in Geschäften im ganzen Land ergänzt wurde, verfolgt, aufgezeichnet und analysiert. Unser zentrales Ziel war es, einen Weg zu finden, die Entwicklung der Figur aus einer kommerziellen Perspektive zu verfolgen und ihre heutige Rolle im Fest im Verhältnis zu andauernden gesellschaftlichen Diskurs und Konflikt über rassistische Bildsprache zu untersuchen. Somit kann diese Langzeitstudie sowohl als sozial orientierte Marktanalyse als auch als Archiv des antirassistischen Aktivismus verstanden werden, der in den letzten zehn Jahren in den Niederlanden stattgefunden hat. Unsere Berichte dokumentieren dabei die kulturellen und daraus resultierenden kommerziellen Veränderungen, die sich Jahr für Jahr als Reaktion auf diese Kampagnen vollziehen.
Neben der Wertschätzung der wetrvollen und wesentlichen antirassistischen Arbeit, die in Kampagnen eingeflossen ist, als Reaktion auf niederländische afrophobe Gewalt, tragen die Berichte von ERIF auch zur Weiterentwicklung zeitgenössischer wissenschaftlicher Arbeiten bei: zur niederländischen Geschichte, Kultur und Tradition; zu kolonialen Vergangenheiten und Erbschaften in Bezug auf Konsum, Wohlstand und Vermarktung; sowie zur Forschung über Rassismus, Identität, Zugehörigkeit und soziale Gerechtigkeitsbewegungen. Da diese Publikation 10 Jahre Forschung zusammenfasst, bietet der vollständige Bericht zu Ehren des 10. Jahrestages unserer ersten Konferenz über europäisches Blackface (November 2014) auch Berichte über heutiges Blackface aus anderen Teilen Europas, einschließlich Spanien und der Schweiz. Auf diese Weise setzen wir das Gespräch und die Erforschung dessen fort, was diese spezifische, schädliche Form des antischwarzen Rassismus ein Jahrzehnt später für Gemeinschaften und antirassistische Aktivisten bedeutet.

Zusammenfassung der Schlüsselergebnisse
Blackface and Gatekeeping Belonging ist ERIFs zehnte Marken- und Produktstudie. Durch die Zusammenführung der Ergebnisse aus unserer jüngsten Forschungsphase (Winter 2024) mit den vorhergehenden Ergebnissen können wir zeigen, dass der anhaltende kollektive und individuelle Widerstand sowie das Engagement gegen den Einsatz von blackface während des Sinterklaas-Festes in den letzten zehn Jahren dafür gesorgt haben, dass die (mainstream-)Präsenz von Zwarte Piet abgenommen hat. Um die wichtigsten konkreten Ergebnisse des diesjährigen Berichts zusammenzufassen:
- Sinterklaas-Produkte ohne jeglichen Bezug zur Piet-Figur machen inzwischen über 50 % des gesamten Marktanteils aus;
- Vage und „versteckte“ Bezüge zu Piet (etwa durch Umrisse, Schatten oder „versteckte“ Pieten) sind auf Verpackungen nach wie vor häufiger vertreten als die offiziellen Rußpieten („roetveeg Pieten“);
- Laut unseren historischen Daten machte in der Hochphase die entmenschlichendste und verspottendste Zwarte-Piet-Darstellung über 50 % des Marktanteils aus. Dieser Anteil sank bis 2024 auf unter 5 %;
- Andererseits zeigen Beobachtungen vor Ort, dass Zwarte Piet nach wie vor in Geschäften und/oder bei kleineren, privat geführten Unternehmen außerhalb unseres quantitativen Forschungsspektrums präsent und sichtbar ist, was die Aussagekraft der Online-Ergebnisse verkompliziert und uns hinterfragen lässt, wie groß der tatsächliche gesellschaftliche und kommerzielle Einfluss großer Marken und Handelsketten wirklich ist – wie wir im Bericht selbst weiter untersuchen;
- Insgesamt lässt sich festhalten, dass trotz signifikanter Veränderungen Sinterklaas-Merchandise und -Marketing weiterhin rassistisch motivierte und diskriminierende Bildsprache und Rhetorik verbreiten. Dadurch werden Kinder bereits von klein auf gesellschaftlichen Machtstrukturen ausgesetzt, die von weißer, cis-heterosexueller, männlicher Vorherrschaft geprägt sind – mit negativen Auswirkungen auf soziokulturelle Vorstellungen von Zugehörigkeit.
Lesen Sie den vollständigen Bericht hier, und kontaktieren Sie ERIF bei Fragen unter info@erifonline.org.
Diese Zusammenfassung ist ebenfalls auf Niederländisch, Englisch und Französisch verfügbar.
Über ERIF
Die 2013 gegründete European Race and Imagery Foundation (ERIF) hat sich zum Ziel gesetzt, sich ein inklusiveres Europa neu vorzustellen. Wir entlarven und kritisieren dominante Narrative der Zugehörigkeit sowie rassistische Bildsprache und fördern und stärken Geschichten des Widerstands und der Befreiung. Alle unsere Aktivitäten zielen darauf ab, die Vernachlässigung von Geschichten, Perspektiven und der Kreativität rassifizierter und marginalisierter Gruppen, –insbesondere Schwarzer Menschen – entgegenzuwirken. ERIF organisiert Veranstaltungen (Konferenzen und Workshops), Social-Media-Kampagnen (z. B. unsere Quotes of Resistance-Kampagnen), Online-Inhalte (Blogbeiträge und Toolkits) sowie Forschungsprojekte und Veröffentlichungen (z. B. den jährlichen Sinterklaas-Bericht; eine Sonderausgabe der Zeitschrift Darkmatter Journal über blackface in Europa) mit dem Ziel die Reichweite antirassistischer Bemühungen von Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Kunstschaffenden und Einwohner*innen zu vergrößern, länderübergreifend zu vernetzen und leichter zugänglich zu machen.